Dienstag, 9. November 2010

Barcelona

Also gleich vorweg: Man hat im Formular für Erasmus die Möglichkeit mehrere Universitäten zu nennen an die man gerne gehen möchte. Meine zweite Wahl nach Coimbra wäre Barcelona gewesen. ICH BIN UNENDLICH FROH in Coimbra gelandet zu sein! Die beste Entscheidung ever und Barcelona ist wahrlich keine Stadt um dort zu leben.

Zuerst zu den guten Seiten: Die Stadt ist einfach wunderschön. Die Architektur ist großartig und auf eine sehr organische, lebendige Art und Weise verspielt. Alles ist bunt, die Formen der Häuser und Fassaden meist weich und organisch. Das zusammen mit den allgegenwärtigen Palmen und anderen Pflanzen verleihen der Stadt ein Flair wie ich es noch nie kennen gelernt habe. Südländisch umschreibt es nur halb, es ist auch noch etwas anderes... fast südamerikanisches... das hier in der Stadt seine Blüten treibt. Nicht umsonst hat Gaudi hier seine kühnen Träume von „lebenden Häusern“ verwirklichen können und nicht umsonst ist es eine angesagte Stadt in der Künstlerszene geworden.

Die Altstadt ist sehr gotisch gehalten und besteht aus hohen Häusern mit engen dunklen Gassen, alten Palästen die ihre spitzen Türme und Bögen kühn in den Himmel strecken, und ebenfalls mehrstöckigen alten Bürgerhäusern. Barcelona ist reich und so kann auch die moderne Architektur durchaus mit der alten mithalten und steht in verspielter Bauweise ihren Vorgängern um nichts nach. Außerdem hat Barcelona etwas gaaaanz wichtiges: Einen Strand (!!) und viele künstliche Inseln die man über Brücken und Dämme oft zu Fuß erreichen kann. Eine Stadt am Strand das kann schon ordentlich was. Wenn man aus den gotischen Häuserschluchten nach oben blickt und sieht, wie Möwen über den Himmel ziehen während man immer noch das Salzwasser riecht, ist das schon ein lässiges Gefühl.

Zu den schlechten Seiten: Ich glaube Barcelona war einmal echt nett zum leben, aber der Massentourismus hat die Stadt ungefähr so herzlich wie Salzburg werden lassen. Man hat überhaupt den Eindruck das „Hola“ nichts anderes wie „gib mir dein Geld“ heißt. Und man hört es überall. Sehen wir es einmal positiv und sagen, daß die Katalanen sehr geschäftstüchtig sind. Sie stehen vor jedem Lokal und Geschäft und haben es ganz besonders auf die Touristen abgesehen. Wer in den Ramblas was ißt oder einkauft, ist wirklich selber schuld. Klar bin ich von Portugal ein wenig verwöhnt was Preise angeht, aber in den Ramblas und der näheren Umgebung ist es einfach schon lächerlich, was Preise und Abzocke angeht. 7 Euro für ein Bier ist ziemlich normal und einheimische würden sich hier wohl auch nie blicken lassen. Man hat permanent das Gefühl für die Leute ein laufender Geldschein zu sein.

Was für den legalen Markt gilt, gilt noch viel mehr für den Schwarzmarkt. Überall wollen einem irgendwelche Leute (meist sichtlich Immigranten) irgendeinen Ramsch andrehen. Der „graue Markt“ , also das weiterverkaufen eigentlich legaler Ware (so was wie Bierdosen am Strand) treibt in Barcelona bunteste Blüten und völlig überteuert wollen einem die Leute alles von Snacks bis sinnlosem Kirtagsplunder andrehen. Sie reagieren sehr schnell auf Chancen, wenn es zu regnen anfängt kommen auch schon alle mit Schirmen zu verscherbeln angelaufen und sind fast noch aufdringlicher zu ihren potenziellen Kunden/Opfern. Speziell gilt das für blonde blauäugige wie mich.

Ich habe überhaupt noch nie eine ethisch derart sauber gestaffelte Stadt/Gesellschaft gesehen. Die Dealer und Huren sind schwarz, die Libanesen und Marokkaner bestreiten den grauen Markt und den Taschendiebstahl, die Opfer für den ganzen Blödsinn sollen die Weißen sein, die von vornherein als reiche Säcke gelten. Wie sehr ich das verabscheue kann ich in Worten gar nicht schreiben. Ist wirklich nur Portugal eine Insel der seeligen was Rassismus und Co betrifft?

Wenn man irgendwann um 3 oder 4 in der Früh (ja Barcelona geht viel früher schlafen als Coimbra) nach Hause geht und von Huren und Dealern bestürmt wird, während man noch ein Auge auf die Taschendiebe haben sollte, fragt man sich dann wirklich was man hier eigentlich macht...

In Barcelona stellen die Alternativen, also Leute mit langen Haaren und wilden Piercings, die relative Mehrheit der Jugend – natürlich nur der einheimischen. Das läßt die Stadt zwar keineswegs sozial gerechter oder auch nur annähernd ökologischer werden, aber es führt zu einer sehr aktiven Kunstszene und allein wie sich manche Leute anziehen ist schon sehr sehenswert. Weil es so viele sind hat die Werbung schon längst darauf reagiert und alles was irgendwie an ein jüngeres Publikum verkauft werden sollte wird dementsprechend „klassenkämpferisch“ beworben. Was für ein Dreck! Wie könnte man eigentlich eine Subkultur noch besser aushöhlen? Das ist also das Schicksal einer „hippen“ Stadt...

Die einzigen sympathischen Leute, die ich kennen gelernt habe, waren ein paar Vagabundos am Strand, die sehr kunstvoll riesige Sandburgen bauen und dann halt ein Schale für Opfergroschen davor aufstellen. Ich habe mit einem von denen ein wenig geredet und der hat mir – siehe da – ohne etwas dafür zu wollen eine Dose Bier in die Hand gedrückt und mir erzählt wie sie es so bewerkstelligen zu überleben. Die schlafen am Strand und teilen ihre Einnahmen aus Sandburgenbau und Co und versuchen sich so gut es geht gemeinsam durchzuschlagen.

Am letzten Tag haben wir dann gemacht, was man in Barcelona wirklich machen kann: In einen der Clubs am Strand gehen und feiern als ob es kein morgen gäbe. Zusammen mit Typen im Anzug, zwei katzenhaften Asiatinnen und alles im nobel Style haben wir die Nacht durchgefeiert wie man es wohl wirklich nur in Barcelona kann. Ja das ist VERDAMMT GEIL, vor allem weil man zum „rausgehen“ einfach direkt an den Strand geht und die Musik hören kann während sich die Wellen am Sand brechen. Das ist also das Barcelona für das alle kommen.

Vom Fortgehen sind wir direkt zum Flughafen und ich habe meinen Kater in mehreren 1000m Höhe ausgeschlafen und bin gerade heilfroh wieder in Portugal zu sein. Spanien kriegt noch eine Chance (Salamanca) und wenn das genau so ist, dann habe ich das Land eigentlich schon gesehen und werde mir in Hinkunft eher so was wie Marroko anschauen...

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