Mittwoch, 15. September 2010

Die Uni

Die Uni verdient jetzt auch amal einen eigenen Blogeintrag. Immerhin ist sie ja der offizielle Grund meines hierseins (nebst einem merkwürdigen supranationalem Verbund und seinen komischen Projekten).



Die Uni ist uralt - sie wurde 1290 gegründet - und hat eine entsprechende akademische Tradition. Die Fakultäten (Faculdades) haben hier viel mehr Gewicht als bei uns und kümmern sich um die Belange ihrer Studenten sehr eigenständig, so daß man sich zum Beispiel auch beim Amt seiner Fakultät inskribiert, dort seine Internetdaten erhält und auch ausschließlich von ihr betreut wird. Eine jede Fakultät hat ihre Farbe und die Studenten tragen diese stolz auf ihren schwarzen Kutten in Form einer Fita (farbiges Band, meist an der Brustseite festgemacht).
Die Universität ist damit eher der Zusammenschluß der Fakultäten und der Senat (Senado) ist mehr ein Gremium zwischen den Fakultäten als darüber und um den Ausgleich der Interessen bemüht. Er setzt sich sehr ähnlich den gegenwärtigen österreichischen mit Professorenmehrheit, Studenten und Bediensteten zusammen. Natürlich ist es hier wie überall in Europa und die Regierung plant ordentlich privatisierend in die Uni einzugreifen und so sollen künftig in den Senaten 25% der Sitze an externe Leute aus der Wirtschaft vergeben und der Rektor nicht mehr autonom von der Uni bestimmt werden können... kennt man alles; same shit – different flavour. So weit was ich von der Organisation verstanden habe.

Die Gebäude der Universität erinnern alle entweder an südländische Villen mit Atrium und Co oder sind Monumentalbauten irgendwelcher Herrscher oder eine Mischung aus beidem wie die Biologie hier. Der letzte der hier ordentlich hat bauen lassen war Salazar, der in Zeiten seiner Diktatur einfach den Stil der Könige mit einer klassizistishen Note fortsetzte. Ich finde sie fügen sich sehr nahtlos an die anderen Gebäude mit ihrem ebenfalls erhabenen Anspruch ein. Offensichtlich braucht es eine absolutistische Regierungsform um so zu bauen (Könige, Kaiser, Diktatoren etc.).



Die Studenten laufen hier ungefähr zur Hälfte in ihrer traditionellen Tracht bestehen aus Anzug und schwarzem Cape herum, auf dem meist die farbigen Fitas ihrer Fakultäten prangen (s.o.) oder mit Hüten oder ähnlichem in der Farbe ihrer Fakultät. Zu festlichen Anlässen wie zum Unibeginn sind das weit mehr Prozent und unter den Capes findet man alle Hautfarben und weitgehend alle politischen Einstellungen von konservativ bis sozialistisch. Es hat hier das traditionelle Studentenwesen auch einen erheblich besseren Ruf als bei uns, weil es viel eher mit dem Sturz der Salazardiktatur (Nelkenrevolution) in Verbindung gebracht wird, als mit deren Errichtung. Die Neulinge werden mit sogenannten Praxes (sprich: prasches) traktiert von den älteren Studenten und müssen allerlei erniedrigende Dinge tuen, die sich zwar im Rahmen halten, ich aber nie tuen würde.
Wobei es vielleicht irgendwie sogar gerecht ist mit der zukünftigen Elite so umzuspringen. Daran zu denken das Baroso genau so im Hasenkostüm auf allen vieren über den Campus gekrochen ist, wie die Ärzte, die einen behandeln, oder der Anwalt den man trifft, hat scho was...



Für die, denen das zu konservativ ist, gibt es sogenannten Repúblicas. Das sind Wohnkommunen, deren Haustür immer offen steht, meist mehr oder weniger links (man sagt hier esquerdistas), und leider auch mehr oder weniger verfallen. Man erkennt sie von aussen leicht daran, daß allerlei alte Elektrogeräte an Kabeln aus dem Fesnster hängen und zumeist große Schilder mit Namen oder einem Reim irgendwo am Haus hängen. Da ich mich doch nach zumindest bescheidenem Luxus (benutzbares Bad, saubere Küche und so) sehne ist das eher nichts für mich zum wohnen; aber zum interresiert besuchen. Das Gemeinschaftsgefühl ist sehr sympathisch, die meisten auch halbwegs vernünftig, der Geruch oft gewöhnugsbedürftig. Die Republicas fassen oft mehr als 10 Leute und sind nicht selten wirklich international zusammengesetzt (was in Coimbra aber auch in normalen WGs ziemlich gängig ist).

Um die Belange der Studenten kümmert sich die Assiação Académica, das Gegenstück zu unserer ÖH, allerdings ohne Fraktionen und dazugehöriger Tradition. Das hat zur Folge, daß auch wirklich jeder willkommen is zum Mitarbeiten und es hat viel mehr von der studentischen Kreativität als ich in der ÖH je gesehen habe und berreichert die Stadt kulturell durch ihre Secções ziemlich. Jeder kann so eine Secção gründen (von Sport bis Debattierclub, auch politische Sachen) und kriegt zumindest a bissi Infrastruktur zur Verfügung gestellt. An den Fakultäten reden als ziemlich eigenständige Einheiten der AA die Núcleos mit (meiner is zB der Nucleo da Faculdade de Siencia e Técnologia), die von den Studenten gewählt werden. Irgendwie wählen dann alle Teile der AA zusammen ihre Asembleia Géral, die einen recht vernünftigen Eindruck macht und den Plakaten nach eigentlich nichts will, wo man grob widersprechen müßte. Die geplanten Privatisierungen stoßen wohl auch nicht gerade auf Gegenliebe in der AA...

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